Dienstag, September 28, 2010

Im Namen des Volkes

Und noch eine kleine Erkenntnis aus meinem Praktikum:

Französische Urteile spricht die

"REPUBLIQUE FRANCAISE
AU NOM DU PEUPLE FRANCAIS"

Wäre das in Deutschland denkbar?

"Urteil im Namen des Deutschen Volkes"
Staatstheoretisch ginge das in jedem Fall. Die Judikative ist Teil der Staatsgewalt, die nach Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz "vom Volke" ausgeht. Damit ist das deutsche Volk gemeint, im Sinne einer deutschen Staatsbürgerschaft. Die Handlungen des Staates müssen sich auf seine Bürger zurückführen lassen.

Aber dennoch: Ich hätte dabei ein ungutes Bauchgefühl...

Kurzer Hinweis: Neues Steuerprivileg im Insolvenzrecht

Mit dem "neuen" Insolvenzrecht (Die InsO wurde 1999 verabschiedet) wurde das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung in der Insolvenz eines Schuldners stark hervorgehoben, indem er auch für staatliche Gläubiger galt.

Für die werten Leser, die bisher nicht viel mit dem Insolvenzrecht zu tun hatten eine kleine Erläuterung: Ist ein Gläubiger zahlungsunfähig, so gilt nicht mehr das Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", sondern das noch vorhandene Vermögen des Schuldners wird auf alle Gläubiger verteilt. Dabei gilt grundsätzlich, dass jeder Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO gleich viel (bzw. wenig) bekommt - regelmäßig etwa 3% seiner ursprünglichen Forderung. Eine Ausnahme gilt dabei für besonders gesichterte Gläubiger, etwa wenn sie Pfandrechte geltend machen können. Das ist der Grund für die immense Bedeutung derKreditsicherungsrechte.

Eine Ausnahme gibt es jedoch nicht für den Staat. Bisher jedenfalls wurden Finanzämter und Krankenkassen wie jeder andere Gläubiger auch behandelt. Obwohl die Versuchung groß ist, sich selbst besser zu stellen: Bisher war das Ziel nachfolgende Insolvenzen zu verhindern, wichtiger. Das klassische Beispiel dafür sind die Handwerker, die bei einem großen Bauvorhaben gleich mit Pleite gehen.

Nun gibt es aber eine Finanzkrise, und Frau Leutheusser-Schnarrenberger soll mit der Änderung des Insolvenzrechts 500.000.000€ in die Kassen spülen. Nachdem sie das angedachte Justizprivileg verhindern konnte, muss das Geld irgendwie anders rein.

Laut Insolvenz-News wurde jetzt der Weg dafür gefunden: Eine Aufrechnungsmöglichkeit der Finanzämter für Steuermöglichkeiten. Bisher war es so, dass Pfändungen und Zwangsvollstreckungen in einem bestimmten Zeitraum vor der Insolvenz zurückgefordert werden konnten, um sie in den Topf (die "Masse") zurückzubringen und gleichmäßig zu verteilen. (Diese "Insolfenzanfechtung" hat mit der "normalen" BGB-Anfechtung nichts zu tun!)

Bei Finanzämtern soll dies nun nicht mehr möglich sein, da sie die Rückforderungen nun mit Steuerforderungen aufrechnen können sollen.

Aus meinem Praktikum in der Insolvenzverwaltung weiß ich, dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge häufig der einzige Posten sind, durch den man die Insolvenzmasse vergrößern kann: Diese Stellen können sich nämlich ihre "Titel" selber schreiben und die Zahlung ist teilweise auch strafrechtlich abgesichert. Daher werden diese Forderungen bis zum Schluss (zu Unrecht) voll bezahlt.

Wenn diese Möglichkeit nun wegfällt, verdient in Zukunft nur noch einer an der Insolvenz: Der Verwalter. Dessen Kosten werden nämlich in jedem Fall voll bedient.

Montag, September 20, 2010

Plädoyer für die papierlose Akte

So, nach einer Woche Pause wegen einer Bindehautentzündung geht mein Praktikum bei CMS weiter. Es geht immer noch um Golf, leider wurde immer noch kein Ortstermin festgelegt.

Dafür ist die Akte kräftig gewachsen.
Als Praktikant von ich jetzt wohl der Mensch, der die Akte am Besten kennt, da nur ich die Akte vollständig gelesen habe. Jedenfalls heute Abend dann. Bis dahin wünsche ich mir die Umstellung auf elektronische Akten und begebe mich auf die Suche nach einem "Membership Agreement", das da vielleicht irgendwo drin ist.
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Freitag, September 03, 2010

Praktika - ein erster Bericht

Im Rahmen meiner Studienorganisation habe ich das von vielen Studienordnungen vorgeschriebene Pflichtpraktikum bisher nach hinten geschoben. Zwar sind die Voraussetzungen jedenfalls in Berlin nicht besonders hoch. Abgesehen von Regelungen zur Dauer (3 Monate während der vorlesungsfreien Zeit), Anwesenheitszeiten etc ist nicht viel geregelt. Man soll "entsprechend seinem Ausbildungsstand praktisch mitarbeiten" und insbesondere "mit dem Geschäftsablauf, den Wesentlichen Arbeitsmitteln, den wesentlichen Entscheidungs- und Handlungsformen sowie den Verfahrensabläufen" vertraut gemacht werden.

Dennoch fand ich es sinnvoller, das Praktikum erst dann zu absolvieren, wenn ich einen für mich ausreichenden Ausbildungsstand erreicht habe*) und mehr tun kann als Akten lesen und Kaffee kochen. Zwar bin ich (mit Jung von Matt) "immer mit mir selber unzufrieden", jedoch habe ich nach dem Schwerpunktstudium immerhin schon einen groben Einblick, den ich jetzt mit Praxis ausfüllen kann. Daher gibt es jetzt einen kleine Erfahrungsbericht:

Ich habe in diesen Semesterferien zwei Praktika eingeplant, das erste bei SchneiderGeiwitz&Partner, einer mittelständischen Kanzlei in Neu-Ulm, die sich auf Insolvenzverwaltung konzentriert, das zweite bei CMS Hasche Sigle, einer der "großen" Wirtschaftskanzleien hier in Berlin. Die Praktika erreichen mit je vier Wochen die Mindestdauer gerade so. Das lag nicht unbedingt an mir, sondern an den Kanzleien, die ich mir ausgesucht habe. Zwar stimmten die jeweiligen Verantwortlichen mit mir überein, dass vier Wochen eigentlich zu wenig sind, um einen richtigen Einblick zu gewinnen. Jedoch wollte ich mein Praktikum meinem Schwerpunkt entsprechend in einer großen Wirtschaftskanzlei machen. Dort sind die Plätze recht begehrt, sodass zu einem mitunter sehr langen Vorlauf (mindestens ein halbes Jahr Vorlauf bei CMS) eine Beschränkung der Zeit kommt, um möglichst vielen Studenten die Chance auf einen Platz (und damit auch die Vorstellung als potentieller Arbeitgeber) zu bieten.



  1. Die Bewerbung

    Zur Bewerbung kann ich nicht viel schreiben. Es empfiehlt sich, vorher per E-Mail bei den verschiedenene Kanzleien anzufragen, wie es denn mit Praktikumsplätzen aussieht. Dabei sollte man den möglichen Zeitraum mit angeben. Dann erstellt man die üblichen Bewerbungsunterlagen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugniskopien) und schickt sie (nach Wunsch) per E-Mail oder Post an den Verantwortlichen.
    Bei CMS hatte ich recht bald ein Vorstellungsgespräch, das freundlich und in entspannter Atmosphäre verlief. Kurz darauf bekam ich meine Zusage, der Termin für das Praktikum war jedoch ein Dreivierteljahr später.
    Bei SchneiderGeiwitz hat man von einem Vorstellungsgespräch gleich abgesehen, offenbar war mein Anschreiben und Lebenslauf überzeugend genug. ;) Das fand ich schade, denn durch das Vorstellungsgespräch lernt man wenigstens ein paar Leute und die Örtlichkeiten schon vorher kennen und fühlt sich dann am ersten Tag nicht ganz so verloren.

  2. Die Organisation des Praktikums

    Bei SchneiderGeiwitz war ich zu der Zeit der einzige Praktikant. Daher teilte ich mir ein Büro mit einem pensionierten Notar, der von Montag bis Mittwoch anwesend war. Ich hatte meinen eigenen Schreibtisch und einen PC. Leider hatte ich keinen Zugriff auf das Netzwerk, Internet oder Drucker, sodass der PC relativ nutzlos war. Die Arbeitsmöglichkeiten waren daher beschränkt auf Bleistift, Notizblock und die relativ gut ausgestattete Bibliothek. Seitdem jedenfalls weiß ich die Bedeutung der modernen Medien noch mehr zu schätzen.

    Bei CMS sitzen die Praktikanten in der Regel in den Referendarbüros. Dort arbeitet man zu viert, jeder hat einen Rechner zur Verfügung, es gibt ein Telefon und einen luxuriösen Drucker/Kopierer im Nebenraum. Es gibt eine gut sortierte Bibiothek (überwiegend Wirtschaftsrecht, aber auch Ausbildungsliteratur für den wirtschaftsrechtlichen Bereich)Zudem haben die Praktikanten Zugriff auf das Netzwerk. Dieser ist allerdings beschränkt. Die einschlägigen Recherchemöglichkeiten (Juris, Beck online etc) stehen den Praktikanten offen, die internen Möglichkeiten wie Mandantendatenbanken und Vorlagensammlungen jedoch nicht.

  3. Die Arbeit

    In der Gestaltung des Praktikums sind die einzelnen Ausbilder relativ frei, sodass man da kaum verallgemeinern kann.
    Bei SchneiderGeiwitz litt das Praktikum unter dem Zeitpunkt. Von Mitte Juli bis Mitte August ist Urlaubszeit. Zwar gibt es die Gerichtsferien so nicht mehr, jedoch war dennoch nicht viel zu tun und daher auch nicht viel zu sehen. Ich hatte die Möglichkeit an zwei Prozessen teilzunehmen. Der erste war ein Mietrechtsprozess, zu dem ich ohne jegliche Vorbereitung sehr kurzfristig mitgenommen wurde. Daher war es wenig interessant. Der Richter versuchte die Parteien zu einem Vergleich zu prügeln bewegen, als dies erkennbar an der Vergleichsbereitschaft scheiterte wurden noch kurz Zeugen vernommen: "Kennen Sie die Schriftsätze? Gut, trifft das zu was da drin steht? Gut, dann sind Sie auch schon entlassen"). Das Urteil gibts dann im November.

    Der zweite Prozess war ungleich spannender. Vor dem Arbeitsgericht ging um einen Manager, der bei einem großen Straßenbaukonzern für mehrere Länder zuständig war. Dieser sollte fristlos entlassen werden, weil er entgegen der Richtlinien jahrelang immer First- und Business- statt Economyclass gebucht hatte sowie die Handyrechnung seiner Ehefrau über die Firma laufen ließ. Hinter den Scharmützeln stand ein weiterer Prozess um seine Abberufung, dahinter standene mehrere nicht abgerechnete Projekte in Millionenhöhe. Die Verhandlung selbst war dann auch nicht sonderlich ereignisreich, denn es war ein Gütetermin, der natürlich ergebnislos verlief. In dieser verfahrenen Situation waren die Vorstellungen doch zu weit auseinander.

    Abgesehen von diesen Terminen bestand die Arbeit vornehmlich aus Aktenarbeit im Bereich der Insolvenzanfechtung. Dabei mussten stapelweise Ordner mit Rechnungen und Kontoauszügen nach Zahlungen durchsucht werden, die im Rahmen der Insolvenzanfechtung zurückverlangt werden konnten. Auch diese Arbeit war eigentlich nicht unspannend, jedoch fiel dort die fehlenden Arbeitsmaterialien doch enorm auf. Mit zwei Kommentaren an der Hand war es zwar möglich, die entsprechenden Schreiben zu erstellen. Jedoch war schon bei der überprüfung der in den Fußnoten angegebenen Literatur und Rechtsprechung regelmäßig Schluss. Der Zugriff auf schon vorhandene Texte hätte das Ganze auch enorm erleichtert.

    Bei CMS fand am ersten Tag nur eine Führung durch das Haus sowie die IT-Schulung statt. Den restlichen Tag sollte man damit verbringen, sich mit der Bibliothek und den anderen Dingen vertraut zu machen. Am nächsten Tag folgte dann eine Besprechung mit dem Mentor, in dem der Ablauf grob festgelegt wurde. Mein Praktikantenkollege wurde interessehalber in die Abteilung Immobilien Bauen Umwelt vermittelt, ich durfte aufgrund meines gesellschaftsrechlichen Interesses in diesem Bereich bleiben. Da ich angegeben hatte, dass ich mich für Rechtsvergleichung interessiere, wurden mir daraufhin auch gleich die Akten meines ersten Falles zugstellt, der es in sich hat. Es geht um Anteile und Kosten für einen exklusiven Club in Frankreich, welcher einer Gesellschaft auf den niederländischen Antillen gehört. Die Partner aus Norwegen verklagen ihren den in der Schweiz gemeldeten Kollegen nun auf Zahlung, und das ganze dann in Deutschland.
    Nachdem nun in der Berufung entschieden wurde, dass das geht, stellt sich mir jetzt die Frage, nach welchem Recht sich das richtet. Dem deutschen? Dem französischen? Dem niederländischen? Dem niederländisch-antillanischem(?)? Meine Referendarskollegin prüft derweil die Sache nach französischem Recht.

  4. Das Fazit bisher

    Interessant war bisher vor allem der Wechsel von der studentischen zur Anwaltlichen Perspektive. Da man die Interessen des Mandanten zu vertreten hat, liegt dort auch der eindeutige Fokus. Wird als Student neutral gefragt, ob Ansprüche bestehen und das gegebenenfalls verneint, greift (zumindest der Zivilist) auch noch nach dem letzten Strohalm; eine dünne Arumentation ist offenbar besser als gar keine.
    Bei SchneiderGeiwitz habe ich die Arbeit mit Akten kennengelernt und festgestellt, wieviel tatsächliche Arbeit hinter einem (meistens dann einfachen) Sachverhalt mit wenigen (meist ebenso einfachen) Rechtsfragen steht. Was mir leider gefehlt hat, was das Ganze organisatorische Drumherum. Das Arbeiten mit Kommentaren konnte ich vorher schon, Gutachten schreiben auch. Wie man allerdings eine Akte anlegt, oder sortiert, wie man innerhalb einer Kanzlei zusammenarbeitet, wie man ein Fax schickt, wie man seine Zeiten abrechnet - al das wäre für mich interessant und neu gewesen.

    Das Fazit zu CMS muss noch ein Bisschen warten, da ich ja erst eine halbe Woche hier bin.
*)Ein weiterer Grund war, dass die Semesterferien vorher meist mit anderen Dingen wie Hausarbeiten und Ferienarbeit zur Studienfinanzierung gut ausgelastet waren. Aber "ich mach das jetzt, weils liegen geblieben ist" klingt nicht so gut.