Dienstag, November 30, 2010

Ankauf von Steuer-CD: Kein Beweisverwertungsverbot.

Lang und breit (vgl. hier und hier und hier) war vor einigen Monaten drüber diskutiert worden. Verschiedenen Bundesländern wurden (und werden) CDs zum Verkauf angeboten, auf denen sich "gestohlene" Datensätze mit Kontoinformationen deutscher Kunden in den einschlägigen "Steuersparparadiesen" befinden sollten. Der Kauf der Daten war sehr umstritten. Einzelne Bundesländer haben die CDs gekauft, andere darauf verzichtet. Schon alleine die breite Medienberichterstattung führte dann zu einer wahren Flut an (strafbefreienden) Selbstanzeigen, die mehrere hundert Millionen Euro in die klammen Staatskassen spülten.


Einhellige Meinung war wohl, dass der Ankauf solcher Daten ein "Geschmäckle" haben könnte. Darüber hinaus wurde darüber gestritten, ob sich ein Rechtsstaat solch einen Ankauf leisten kann, darf oder muss. Teilweise ging man auch von einer Strafbarkeit der Steuerbehörden aus, für die man nach langem Suchen eine Grundlage im Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) gefunden haben glaubte.

Nun hat sich das Bundesverfassungsgericht zum Thema geäußert und eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Darin wurde eine Hausdurchsuchung beanstandet, welche aufgrund der Auswertung einer solchen Steuersünder-CD angeordnet wurde. Das Gericht konnte dahinstehen lassen, ob die Daten der Liechtensteiner Steuer-CD rechtmäßig erlangt wurden oder nicht. Selbst wenn die Daten durch eine strafbare Handlung in den Besitz der Behörden gekommen wären, so bestünde kein Verwertungsverbot in gerichtlichen Strafverfahren.

Vor diesem Hintergrund sind die angegriffenen Entscheidungen nicht zu beanstanden. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob und inwieweit Amtsträger bei der Beschaffung der Daten nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt oder gegen völkerrechtliche Übereinkommen verstoßen haben. Denn die Gerichte haben für ihre Bewertung, ... solche Verstöße unterstellt. Soweit die angegriffenen Entscheidungen nach Abwägung der verschiedenen Interessen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Daten aus Liechtenstein verwendet werden dürfen, ..., ist dies nachvollziehbar und lässt eine verfassungsrechtlich relevante Fehlgewichtung nicht erkennen. Die Verwendung der Daten berührt nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. ...
Des weiteren sind Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte, grundsätzlich verwertbar, so dass allein von dem Informanten begangene Straftaten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes von vornherein nicht berücksichtigt werden müssen.

Damit scheint zumindest der tatsächlich relevante Teil der Diskussion beendet zu sein.

Montag, November 29, 2010

Abofallen und Adresshandel bei Facebook


Manchmal fragt man sich, woher die steigende Anzahl der Werbeanrufe und -post kommt, je länger man an einem Ort lebt. Selbst wenn man "eigentlich" sicher ist, nicht im Telefonbuch zu stehen und auch nur ein paar Leuten die Adresse gegeben zu haben.

Wie einfach es jedoch ist, an die Daten unbedarfter Menschen zu kommen, zeigt Facebook.
Dabei ist nichtmal die Datenwolke gemeint, die Facebook an sich schon über Nutzer und Kontakte der Nutzer sammelt, sondern die Anwendungsschnittstelle.

Schritt 1: Über eine Nachricht eines Freundes gelangt man zu einer Anwendung, die einem verspricht, man könne damit diejenigen Freunde ermitteln, die das Profil am häufigsten besucht haben.




Schritt 2: Nachdem man der Anwendung Zugriffsberechtigung erteilt hat, wird man aufgefordert, an einer von drei Umfragen teilzunehmen. Das soll notwendig sein, um zu beweisen dass man ein Mensch und kein "Spambot" sei.



Schritt 3: man gelangt zu einer "Deutschland Umfrage", wo man "gewinnen € 500 im Wert von Aldi Geschenkgutscheine" kann. Die Daten eingegeben und die häkchen gesetzt (sonst ist man ja kein echter Mensch) kommt man weiter zu



Schritt 4: Weitergeleitet wird man auf die Seite "win-macbook.de", wo man ein Puzzle lösen und ein Macbook gewinnen kann. der Haken findet sich dann weiter unten:


Ich bin einverstanden, dass der Veranstalter, dessen 81 Partner und Sponsoren mich telefonisch/per E-Mail/per SMS/Post über Angebote aus dem jeweiligenGeschäftsbereich informieren. Das Einverständnis kann ich jederzeit widerrufen. Weitere Infos dazu hier.Eine Teilnahme an dem Gewinnspiel ohne gleichzeitige Einwilligung in den Erhalt von Werbung per E-Mail oder telefonisch ist ausschließlich mittels Postkarte möglich.

Die lange Liste der Sponsoren und Partner enthält dann eine illustre Ansammlung verschiedener Versandhäuser, Airlines, Lotto-Tippgemeinschaften und jede Menge UGen (haftungsbeschränkt), B.V.en und andere aus dem Bereich "Email-Kampagnen für Unternehmen".

Wenn man alles richtig gemacht hat, freut man sich (vielleicht) über ein Macbook, ganz sicher aber über einen gut gefüllten Briefkasten.

Die anderen Umfragen führen dann zu einer Smiley-Seite, welche eine Werbe-Toolbar installiert bzw einen IQ Test, bei dem man dann schwarz auf weiß grau auf blau erfährt, dass man für 4,99 pro SMS einmal die Woche einen Lerntipp abonniert.



Wer denn nun alles die eigene Facebook-Seite angeschaut hat, das erfährt man leider gar nicht mehr.

Mittwoch, November 24, 2010

Heute mal Strafrecht

So, heute mal ein paar wild herausgegriffene Links zum Thema Strafrecht (Man muss ja für Popularität sorgen)

  • Zum Thema Wirtschaftskriminalität, Internetkriminalität, Vorratsdatenspeicherung ViaJura.
  • zur Kriminalisierung weiter Teile der Mainstream-Pornographie (->"barely legal", also Darsteller die wie Teenager aussehen) durch die EU und "Brüssel als Sündenbock" Pornoanwalt
  • zu löffelweise Koks beim Verräterzeugen Hoenig (Hoenig ist der Anwalt, der konsumiert nur Caffé)
  • zum rechtsbeugenden Richter Gaspedal Burhoff.
  • zur Verurteilungsrate bei der Körperverletzung im Amt gegenüber der "normalen" Körperverletzung Henning Müller

Dienstag, November 23, 2010

Wieder mal Gentrifizierung: Berliner Traditionsclub erstmal dicht.

Das Schema ist mittlerweile allzu bekannt:

In einer eher heruntergekommenen Gegend bildet sich eine "alternative" Szene mit vielen Freiräumen, Clubs und Ausgehmöglichkeiten. Diese attraktiven Möglichkeiten locken junge, hippe Menschen an, die dort wohnen wollen. Sobald dann das erste Kind da ist, der erste gutbezahlte Job, da stellen die Zugezogenen dann fest wie schön doch eine ruhige Wohngegend wäre. Da erinnert man sich gerne an die alten, schlaflosen Zeiten - aber nur außerhalb des Gerichtssaals, den man ob der "Gesundheitsbeeiträchtigungen" aufgesucht hat.
Das Ende vom Lied: nach einem Etappensieg für die Betreiber des ältesten Berliner Jugendclubs tritt der Bestandsschutz des seit fast 60-Jährigen Veranstaltungsorts hinter die "Gesundheitsgefährdung" der Bewohner zurück, aus den vorläufigen Lärmschutzauflagen (Veranstaltungsende um 23 Uhr) werden endgültige.

So macht das "Knaack" zum Ende des Jahres dicht - Zukunft ungewiss. Das resignierende Fazit der Betreiber:

Ruhig wollen viele es haben. An sich ein Wunsch, der nachvollziehbar ist.... Wer es aber so beschaulich mag, zieht nicht neben alteingesessene Klubs wie den Knaack. Allzu ironisch mutet es nämlich an, wenn man neben trauter Beschaulichkeit dennoch weiter das soziale Leben und kulturelle Brennpunkte fußläufig vor der Haustür erwartet. Denn mal ehrlich: Leise war das kulturelle Berlin noch nie. Und so verkommt es zur traurigen Ironie, wenn man neben Klubinstitutionen ein mangelhaft schallisoliertes Wohnhaus errichtet, die Lärmschutz-Nachbesserung jedoch dem benachbarten Gegenüber aufbürdet. Nicht die Wände sind zu dünn, die Außenwelt ist zu laut.
So wandelt sich der Stadtteil, vom Szenekern zum Familienbezirk. Radimensky: „Hier ist jetzt Platz zum Kinderwagen schieben und zum rumschnöseln.“


Mehr dazu gibt's auch bei ViaJura.

Sonntag, November 21, 2010

Ökonomische Analyse des Rechts

In der Legal Tribune Online findet sich ein Interview zum Thema "Ökonomische Analyse des Rechts" mit Dr. Emanuel V. Towfigh vom Max-Planck-Institut für Gemeinschaftsgüter.

Worum gehts?

Die Ökonomische Analyse des Rechts (ÖAR) ist eine bisher in Deutschland noch recht wenig verbreitete Methodik, rechtliche Wirkungsmechanismen zu untersuchen. Ausgehend von Erkenntnissen der Ökonomie, aber auch der Rechtssozioligie und der Psychologie wird beispielsweise untersucht, wie rechtliche Institutionen tatsächlich auf das (Wirtschaftsleben) wirken, sowie wie man das Rechtsgefüge "verbessern", also effizienter gestalten kann.

So kann man sich mit der Theorie der Verfügungsrechte befassen. Dabei geht man davon aus, dass wirtschaftliche Ressourcen (z.B. Wasser, Kohle, aber auch Weideflächen oder Jagdgebiete) begrenzt sind und spielt verschiedene Möglichkeiten der Nutzungsberechtigung durch. So kann die Weidefläche der Allgemeinheit gehören, oder nur der umliegende Gemeinde. Es kann auch Verfügungsbeschränkungen geben, wenn etwa die Bewohner nur eine beschränkte Anzahl Vieh auf die Weide schicken dürfen.
Oder es entwickelt sich Eigentum an der Weide, so dass ein Einzelner die Weide in gewissem Maße oder nach Belieben alleine nutzen und andere davon ausschließen kann (vgl. § 903 BGB).

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Transaktionskostentheorie. Hierbei geht man im Gegensatz zur klassischen Ökonomie davon aus, dass der Markt nicht perfekt und kostenlos funktioniert, sondern jede Transaktion Kosten verursacht (z.B. um sich zu informieren, zu verhandeln, um dann Verträge aufzusetzen, deren Einhaltung zu überwachen und schlussendlich auch gegebenenfalls zwangsweise durchzusetzen). Hierbei kann man die Effizienz der staatlichen Mechanismen (wie z.B. Anwalts-/Notariats- oder Gerichtskosten) bzw die unterschiedliche Gestaltung von Verträgen untersuchen.

Die Prinzipal-Agenten-Theorie wird schließlich vor allem im Unternehmensrecht relevant. Hierbei befasst man sich mit den Problemen, die eine Stellvertretung auslöst. So beauftragt der Prinzipal (zum Beispiel eine Aktiengesellschaft) als Eigentümer einen Agenten (den Vorstand) damit, das Unternehmen zu leiten. Da sich die Ziele der Beteiligten (z.B. langfristiges Wohlergehen gegen kurzfristige Gewinnsteigerungen) sowie das Informationslevel der Beteiligten unterscheidet, muss man sichergehen, dass der Agent die Ziele seines Prinzipals verfolgt und nicht etwa eigene. In diesem Zusammenhang stehen dann zahlreiche Informations- und Kontrollrechte - z.B. des Aufsichtsrats (§ 111 AktG) oder der Hauptversammlung (§ 119 AktG) aber auch das Verbot der Selbstkontraktion des Vertreters nach § 181 BGB.

Was bringts?

Fürs Examen direkt erstmal nicht viel. Man kann mit dem erworbenen Wissen keine Fälle lösen. Daher sind Vorlesungen zur ÖAR oder der (Neuen) Institutionenökonomik bisher selten in den juristischen Lehrplänen zu finden; wenn dann meist nur als Wahlpflichtvorlesungen in einem wirtschaftsrechtlichen Schwerpunkt.

Wer jedoch etwas über den Tellerrand blicken will, sich für die Hintergründe rechtlicher Institutionen interessiert; wer wissen will, warum sie genau so und nicht anders gestaltet sind, wer wissen will, wie die gleichen Probleme in anderen Ländern angegangen werden, dem sei dieser Themenkomplex ans Herz gelegt.

Donnerstag, November 18, 2010

Kurzer Hinweis: Abmahnungen bei Facebook-Aktion?

"Auch wenn es in das Klischee der Juristen als Spaßbremsen passt: Das Kopfschütteln ist angebracht." schreibt Jens Ferner über die aktuelle Facebook-Kampagne: Ursprünglich wohl als Kritik an der Datenkrake Facebook gedacht, wurden die User dazu aufgefordert, für eine Woche ihr Profilbild gegen das ihrer persönlichen Kindercomichelden zu ersetzen.

Jens weist in seiner Einschätzung (wohl zu Recht) auf die Gefahr einer Abmahnung wegen Uhrheberrechtsverletzungen hin. Auch die anderen Mitglieder der Blawgospräre sind skeptisch. Zum Glück jedoch können die Spaßbremsen auch beruhigen. So ist die wohl einhellige Meinung, dass der Shitstorm, (siehe z.B. Jack Wolfskin oder JAKO) der auf die Abmahner niedergehen würde die Rechteinhaber davon abhalten würde.

Ich habe mich an der Aktion auch beteiligt, wähne mich aber auf der sicheren Seite. Meine Kindheit ist lange her. Zwar noch nicht lange genug, dass das Bild unbestritten gemeinfrei wäre, jedoch hat Disney den Gebrauch erlaubt.



Mittwoch, November 17, 2010

Der Klassiker - das bayerische Schulkreuz

Im Grunde meines Herzens bin ich ja gerne Bayer.

Da gibt es Kreuze in öffentlichen Gebäuden, Order von (fast) ganz oben. Dann gibt es ein paar Herren in Rot, die haben gesagt: Christlich-jüdische Tradition hin oder her, Kreuze sind Symbole der christlichen Religion und haben in staatlichen Schulen nix zu suchen.
Haben sie doch, wiederum Order von (fast) ganz oben. Aber immerhin hat jetzt der Schulleiter
"nach Unterrichtung des Schulamts für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die Glaubensfreiheit des Widersprechenden achtet und die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller in der Klasse Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt; dabei ist auch der Wille der Mehrheit, soweit möglich, zu berücksichtigen." (Art 7 III BayEUG)


Was das genau heißen soll, man weiß es nicht. Es scheint jedoch leidlich gut zu klappen. Da nimmt ein Regensburger Vater seine Grundrechte in Anspruch, daraufhin wird darüber diskutiert, das Kreuz abgenommen und das katholische Morgengebet einvernehmlich durch eine besinnliche Andacht ersetzt. Und ganz Bayern ist glücklich.

Ganz Bayern? Nachdem die Sache von den Medien publik gemacht wurde, muss sich natürlich der Zweite Bürgermeister Gerhard Weber öffentlich zum Vollhorst (oder besser Thilo) machen:

"Die Frage muss erlaubt sein, ob damit nicht das Gastrecht, das wir Ausländerinnen und Ausländern gerne gewähren, überstrapaziert wird.."
Mein lieber Herr Weber,

muss die Frage nicht eher erlaubt sein, warum Sie den Ausländerinnen und Ausländern vorwerfen, sich an geltendes Recht zu halten - übrigens genau das Recht, dem Sie die Treue geschworen haben? Und wie wollen wir den hier anwesenden "Gästen" erklären, dass sie sich doch bitte an die hier geltenden Regeln und Gesetze zu halten haben, wenn Sie ihnen dann genau das vorwerfen. Oder gibt es in Bayern Gesetze und "Gesetze" - die einen sind wichtig, die andern eher so pro forma?


Zur juristischen Aufarbeitung siehe beim juristischen Gedankensalat zur Religionsfreiheit und das zum Urteil des BVerfG passende Urteil des EGMR, das nicht ganz so verstaubt ist, im Verfassungsblog.

Dienstag, November 16, 2010

OT: Merkel hat schweren Unfall unversehrt überstanden

Schade um die Südfrüchte, der Heiligenschein hat ihr aber offenbar geholfen:

Wer gestern in den frühen Morgenstunden mit seinem Auto am Abzweig Pritzwalk auf die Autobahn 24 in Richtung Hamburg auffahren wollte, der wurde enttäuscht. ... Bereits morgens gegen zwei Uhr hatte ein vollbeladener Lkw... die Mittelleitplanke auf einer Länge von knapp 50 Metern durchbrochen, war dann ins Schleudern gekommen, hatte seine Ladung verloren, die Fahrbahn in Richtung Hamburg überfahren und war abschließend in der Böschung gelandet. ...In den Berg von 21,5 Tonnen Konserven, darunter Oliven und Olivenöl, Ananas und Paprika waren anschließend zwei weitere Fahrzeug hineingerast, eine Beifahrerin wurde leicht verletzt und ambulant in Pritzwalk behandelt.

schreibt die Märkische Allgemeine. Unversehrt blieb dabei nur eine: Die heilige Angela von Templin (beachte das Bild zum Artikel). Den Karren an die Wand fahren lassen und daraus als Siegerin hervorzugehen ist aber auch Kernstück ihres Wirkens...

Donnerstag, November 11, 2010

Neue Richter fürs Bundesverfassungsgericht

Pünktlich zum Beginn des Karnevals hat der Wahlausschuss des Deutschen Bundestages heute drei neue Verfasssungsrichter_innen ausgekaspert gewählt. Eine davon ist die Berliner Professorin für Öffentliches Recht und Gender Studies Susanne Baer. Mit ihrer Wahl steigt die Anzahl der Richterinnen am Bundesverfassungsgericht. Nunmehr sind 1/4 der 16 Richter dort weiblich. An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch dazu.


Was passiert eigentlich mit den Lehrstühlen, wenn ein Professor zum Richter am BVerfG gewählt wird?

Samstag, November 06, 2010

Praktika - ein zweiter Bericht

So, nachdem Teil eins des Praktikumsberichts schon ein bisschen älter ist und auch das zweite Praktikum mittlerweile vorbei, hier noch ein kleiner Nachtrag zum Praktikum bei CMS Hasche Sigle in Berlin:


Bei der Arbeit


  1. Die Kollegen

    Zu meinen Kollegen kann ich leider nicht allzu viel sagen. Wem ich begegnet bin, war mir gegenüber aufgeschlossen und freundlich. Das gilt explizit sowohl für die Juristen, als auch für die nichtjuristischen Mitarbeiter (im Sekretariat, Empfang, der Bibliothek). Reibereien zwischen den einzelnen Gruppen, wie ich sie in meinem vorherigen Praktikum erlebt habe, gab es entweder nicht, oder sie wurden nicht an den Praktikanten ausgelassen. Dennoch kam ich über ein „hallo“ bei den meisten Leuten nicht hinaus. Ich wurde zwar von meinem „Mentor“ ermuntert, mich ruhig mal auf den anderen Stockwerken umzusehen wenn mir mal langweilig sein sollte. Doch das wurde es nicht, da ich mit „meinem“ Fall eigentlich immer genug zu tun hatte.

    Der Umgangston war sehr freundlich. Unter den Referendaren und den Associates hat man sich geduzt, im Umgang mit den Partnern blieb es beim Sie.

    Der Dresscode war auch nicht allzu strikt. Natürlich kamen jedenfalls die juristischen Mitarbeiter nicht in Alltagskleidung, aber (ggf. Jackett,) Hemd und dunkle Hose haben ausgereicht. Krawatte, Einstecktuch und Manschettenknöpfe hat keiner erwartet. ;)

    Der Anwalt, an den ich mich ein bisschen „rangehängt“ hatte, stand dann auch so gut wie jederzeit für meine Fragen zur Verfügung, bei meinem Mentor war es etwas schwieriger. Aber als Partner einer Großkanzlei hat man natürlich auch noch andere Aufgaben als sich um den Nachwuchs zu kümmern.

    Meine Bürokollegen waren allesamt toll. Sofern sie da und hinter ihren Aktenstapeln zu sehen waren, konnte man mit allen gut reden, sowohl über den aktuellen Fall als auch über privatere Dinge. Und es gab immer irgendwelche Kekse, Schokolade etc, da jeder mal was mitgebracht hatte.


  2. Die Arbeit

    Zur juristischen Seite der Arbeit dort mag ich gar nicht so viel schreiben, das kennt man ja aus dem Studium. Man findet anwendbare Normen, subsumiert den Sachverhalt darunter und kommt zu einem Ergebnis. Wobei ich selten ein richtiges, vollständiges Gutachten schreiben musste. Meistens waren Stichpunkte dazu ausreichend.


    Die Themen waren jedenfalls bei mir eher abseitig. Im ersten Praktikum habe ich mich mit Insolvenzanfechtungen befasst, bei CMS lag mein Hauptfall auf dem Gebiet des (deutschen und französischen) Internationalen Privatrechts, mit ein paar Verbindungen ins Europäische Gesellschaftsrecht, mein zweiter größere Fall drehte sich um Erbbaurechtszinsen. Das macht aber nichts, da man ja als Jurist ohnehin ein Alleskönner ist und sich eben erst bei Bedarf richtig einarbeitet.


    Da man aber am konkreten Fall arbeitet, der durchaus ein paar Jahre alt sein kann (-> Zurückverweisung nach Berufung), werden Dinge relevant, die man bisher meist vernachlässigen konnte, wie: in welcher Fassung ist das Gesetz anwendbar, und wo finde ich diese Fassung überhaupt?
    Weitere Probleme ergeben sich auch daraus, dass der Sachverhalt eben nicht feststeht, sondern mitunter mühevoll zusammengeklaubt werden. Wenn dann noch der Mandant am letzten Tag bevor ein Schriftsatz rausgehen soll, neue Dokumente liefert nach denen plötzlich Schweizer Recht gelten soll, dann ist die Freude groß.


    Überhaupt hatte ich das Gefühl, sehr viel für die „Ablage P“ (wie Papierkorb) gearbeitet zu haben. Ein Beispiel: man überprüft die nicht wirklich nachvollziehbare Klageforderung in anderthalb Tagen, rechnet alles dreimal nach, findet den Fehler und stellt das Ganze hübsch und übersichtlich dar. Dann schaut sich der verantwortliche Partner das an und sagt „Nee, das lassen wir jetzt so und warten, bis uns die Gegenseite darauf hinweist“. Einen Trost hatte unser Mentor aber für uns: Es wird nix weggeworden, sondern bildet die Munition für die nächste Runde in der Auseinandersetzung.

    Ein weiterer Trost war, dass ich durch die vielen „Schau doch mal, ob sich in der Akte was dazu findet?“-Aufträge wohl der Mensch war, der die Akte am besten kannte, und einer der wenigen, der sie überhaupt ganz gelesen hat.

    Prozesstaktik ist eines der interessantesten Dinge, die ich gelernt habe. Gerade bei unangenehmen Fällen geht man davon aus, dass sich auch das Gericht nicht gern damit befasst und macht alles so einfach wie möglich, lässt alles ansatzweise Unwichtige weg und schaut, dass das wichtigste auf den ersten Seiten unterkommt. Zudem waren Überlegungen wie „klingt das nicht zu defensiv?“ für mich neu.


  3. Die Arbeitszeiten

    Die Arbeitszeiten bei CMS waren flexibel, jedenfalls für Referendare und Praktikanten. „Von 9 bis 19 Uhr mit einer großzügigen Mittagspause“ war die Regel, mit Ausnahmen in beide Richtungen: „Sie müssen hier nicht rumsitzen und sich langweilen, aber wenn es nötig ist wärs schön, wenn Sie bleiben könnten.“ Da ich kein Morgenmensch bin, kam ich generell so gegen 10, hatte dann eine eher kurze Mittagspause und ging meist so zwischen 18 und 19 Uhr. Es konnte aber auch passieren, dass wir im Referendarsbüro gegen 20.30 als letzte aus unserm Stockwerk aus dem Büro kamen.



  4. Die Ausstattung

    Die Ausstattung war toll. Das Netzwerk arbeitete unter Windows 7 und dem aktuellen Office 07, daher musste ich mich nicht umgewöhnen. Man hatte als Praktikant vollständigen Netzwerkzugriff und konnte alle gängigen Recherchetools (Beck online, Lexis Nexis, Juris, etc) nutzen, einzig die Vorlagendatenbank blieb gesperrt. Die Bibliothek war jedenfalls auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet sehr gut ausgestattet, es gab auch einiges an Ausbildungsliteratur. Wenn etwas nicht verfügbar war, genügte eine Email an die Bibliothekarin und ein paar Minuten bis Stunden später hatte man den gewünschten Artikel im Posteingang.

    Die Verpflegung war ebenfalls nicht schlecht. Es gab auf jeder Etage eine Microwelle und normalen Kaffee, dazu zwei Sorten Mineralwasser und diverse Säfte. Unten in der Cafeteria stand dann ein recht netter Kaffee-Vollautomat. Zwar kam der sicher nicht an den Caffè in der Kanzlei Hoenig ran, aber immerhin.

    Zum Ende des Praktikums stand der komplette Austausch der Referendare und Praktikanten bevor. Da die alten schon ein paar Tage früher gegangen sind, die neuen aber erst Später angefangen haben, hatte ich die letzte Woche das Referendarsbüro für mich alleine - und damit ein ebenso großes Büro wie die Partner ;)

  5. Das Fazit

    Tja, was ziehe ich nun für ein Fazit? Im Gegensatz zu einem geschätzten Freund, Kommilitone an der FU und Bloggerkollege habe ich nicht festgestellt, dass es nix für mich ist. Ich kann mir die Arbeit im wirtschaftsrechtlichen Bereich weiterhin gut vorstellen. Manchmal ist es zwar stressig. Aber nachdem ich mit dem Taxi zur luxuriösen Wohnung von Partner N. geschickt wurde, nur um seine bezaubernde Ehefrau beim Kochen zu stören und seinen reizenden Kindern hallo zu sagen (und eine kleine Unterschrift abzuholen) weiß ich, dass es durchaus was für sich hat. Mal sehen, wie das Examen denn so wird.