Sonntag, Februar 20, 2011

Doctores - von guten und schlechten, von falschen und echten

Eigentlich gibt es ja nun wirklich wichtigeres als die Diskussion über eine Doktorarbeit eines Regierungsmitglieds, die für seine Arbeit keinerlei Bedeutung hat. Warum also "fängt der auch noch damit an"?

Weil der "Fall Guttenberg" ein aktuelles Beispiel für viele aktuell relevante Themen ist. Er lässt sich unter diversen Gesichtspunkten diskutieren, rechtlich, politisch, gesellschaftlich, wissenschaftlich. Die Übergänge sind fließend.

Kurz zur Einleitung: Karl Theodor zu Guttenberg, der aktuelle Verteidigungsminister hat in seiner Zeit als Abgeordneter 2006 seine juristische Dissertation eingereicht. Sie wurde von der Universität Bayreuth mit der Bestnote "summa cum laude" ausgezeichnet, 2009 veröffentlicht und 2011 vom Bremer Professor für öffentliches Recht Andreas Fischer-Lescano in der Kritischen Justiz rezensiert. Abgesehen von der ohnehin vernichtenden Kritik stellte Herr Fischer-Lescano fest, dass Herr zu Guttenberg einige Teile seiner Arbeit von anderen Autoren abgeschrieben hat, ohne sie als Zitate auszuweisen, damit also ein Plagiat verfasst hat.
Im Zuge der Diskussion wurde die (formell der Universität Bayreuth) unterstehende Überprüfung "crowdgesourct", im "Guttenplag-Wiki" wurden verdächtige Stellen gesammelt. Mittlerweile wurden auf 268 der über 400 Seiten Plagiate gefunden.* Wichtige Stellen wie die Einleitung und Zwischenfazits wurden aus Zeitungen, aber auch im Netz verfügbaren Anfängerhausarbeiten sowie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags geklaut.
Nach einigen (unglücklichen) Dementis hat Herr zu Guttenberg sich jetzt für seinen "Blödsinn" entschuldigt und will auf den Doktortitel verzichten.
Für weitere (auch seriöse) Information verweise ich auf das Nachrichtenmedium eurer Wahl.

  1. Juristische Aspekte
    Nun ist das hier zumindest auch ein juristisches Blog, daher sollte ich wohl ein paar Punkte dazu schreiben. Jedoch macht der juristische Aspekt nur einen kleinen Teil des Problems aus.
    Strafrechtlich scheint Herr zu Guttenberg nichts zu befürchten zu haben. Da ihm der Titel formal korrekt verliehen wurde, fällt der Missbrauch von Titeln nach § 132 a StGB weg. Auch eine falsche Versicherung an Eides statt (§ 156 StGB) fällt weg, da die Promotionsordnung der Juristischen Fakultät in Bayreuth in § 8 Nr. 6 nur eine "Ehrenwörtliche Erklärung" gefordert wird. Seit RGZ 117,121 (Edelmannfall) ist aber anerkannt, dass das Ehrenwort (selbst) eines nichtjüdischen Adeligen rechtlich unverbindlich ist.
    Urheberrechtlich kann ich mangels Qualifikation derzeit nichts schreiben, werde allerdings ggf. einen passenden Text dazu hier reinkopieren.
    Promotionsrechtlich ist die Sache recht einfach: § 16 III der Promotionsordnung besagt, dass Fehler bei der Promotion, die keine Täuschung sind, mit Abschluss der Püfung geheilt.
    § 16 II sagt, dass die Promotionskommission eine Doktorarbeit nachträglich für nicht bestanden erklären kann, wenn eine Täuschung vorliegt.
    Eigentlich dürfte bei der Situation die Entscheidung klar sein. Ich bin aber nicht die Promotionskomission.;)

  2. Wissenschaftliche Aspekte
    Jura wird ohnehin schon von einigen nicht als echte Wissenschaft anerkannt. Die Hauptarbeit besteht darin, das umzuformulieren, was andere vor einem gesagt haben, um dann am Ende eine "vermittelnde Ansicht" zu vertreten. Da ist mitunter auch was dran. Hinzu kommt, dass die Juristerei in letzter Zeit von einigen Skandalen erschüttert wurde. Professoren, die in ihren Lehrbüchern abschreiben oder für einige Tausend Euro ihren Namen als Doktorvater hergeben, damit unqualifizierte aber vermögende Leute doch noch einen Titel bekommen.
    Andererseits wird dem Studenten schon im ersten Semester eingetrichtert, dass ALLES, aber auch wirklich ALLES was nicht aus eigener Feder stammt korrekt belegt werden muss. Es wird auch deutlich auf die Konsequenzen hingewiesen, die von der Bewertung mit 0 Punkten bis zur Exmatrikulation reichen können.
    Wenn sich nun aber ein renommierter Professor dafür hergibt, einer wohl nur mittelmäßigen und zudem dreist kopierten Arbeit die Bestnote zu verleihen, dann ist das schlimm genug. Wenn jetzt aber irgendetwas anderes herauskommt als die Aberkennung des Titels, hat der Dr. iur. vollends seinen Wert verloren.
    Man kann den "normalen" Doktoranden nicht vermitteln, warum sie sich anstrengen sollten. Und man kann auch eine mit der Bestnote bewertete Doktorarbeit nicht mehr ungeprüft in seiner wissenschaftlichen Arbeiten übernehmen.
    Und dabei spielt es keine Rolle, ob der Doktor jemals "gebraucht" werden sollte oder nicht.

  3. Politische Aspekte
    Natürlich ist das "Guttengate" auch eine politische Affäre, die auch vom politischen Gegner instrumentalisiert wird. Die Gegner wären ja auch dumm, würden sie diese Chance vergeben. Nur: Es ist mehr als das. Guttenberg trat auf als Inbegriff der Glaubwürdigkeit. Sein Motto ist "Verantwortung verpflichtet". Der Politiker zu Guttenberg, sein Status als "Lichtgestalt", "Politiker des neuen Typs" besteht aus der Erkenntnis, dass er es doch einfach nicht nötig hat. Er hat ein Schloss, er hat Geld, er hat Titel - da muss er nicht das Volk verarschen, um an Schloss, Geld und Titel zu kommen. Daher macht er Politik nur, um den Menschen zu dienen.
    Seine Geschichte unterscheidet diesen Doktorfall auch von den anderen Fällen promovierter Politiker. "Doktor" Schürholt wollte mit seinem Titel die Wahl zum Landauer Oberbürgermeister gewinnen. "Doktor" Schröder/Köhler war als ledige, unverheiratete kinderlose Politikerin auch nicht offensichtlich als Familienministerin qualifiziert. Auch wenn Hochzeit und Schwangerschaft wohl wirksamer waren als der Doktortitel.
    Herr zu Guttenberg jedoch war eigentlich schon wer. Er hätte den Dr. wirklich nicht gebraucht.

    Weiteres zum Thema:
    Mazbln über Königssehnsucht, Kavaliersdelikte und das Eintreten der Bundesregierung für das Uhrheberrecht.
    Das Verfassungsblog über den Palin-Effekt. Jeder Angriff "von denen da oben" macht Herrn Guttenberg bei "uns hier unten" nur beliebter.
    Die Süddeutsche über die Folgen für Seehofer und die bayerischen Bundeswehrstandorte
















*Aufgrund der offenen Struktur eines Wikis kann die Zahl nach einer Überprüfung nochmals deutlich weniger werden. Das ändert aber am Vorwurf nichts. Schon ab mehr als einer nicht zitierten Quelle drohen normalerweise Konsequenzen.

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