Donnerstag, Dezember 09, 2010

WikiLeaks und die Medien (II)

Jetzt hat auch der Spiegel als Medienpartner von Wikileaks die ihm zugespielten Dokumente unter anderen Stichwörtern als Angie, Guido oder Horst durchgesehen und ist auf die el Masri-Depeschen gestoßen (wir berichteten):

Die nun aufgetauchten Details illustrieren ein doppeltes Spiel Deutschlands im Fall Masri. Öffentlich wurde zwar stets nach Aufklärung gerufen, doch weder die Regierung noch die Justiz hätten damals ohne den Druck der Medien das heiße Eisen der illegalen CIA-Kidnappings angefasst. Intern bestand Übereinstimmung, dass der offenbar wegen einer Namensverwechslung verschleppte Masri schlicht Pech hatte. Ermittlungen gegen die CIA, inklusive der weiteren Eintrübung des reichlich angeschlagenen deutsch-amerikanischen Verhältnisses, wollte indes niemand.

Die US-Berichte über die bayerische Justiz, die Landesregierung, aber auch über die Bundesministerien zeugen von dieser Haltung. So soll Oberstaatsanwalt August Stern einem US-Diplomaten gesagt haben, er habe sich "durch den Druck der Medien gezwungen gefühlt", die Haftbefehle auszustellen. In der Tat kamen die meisten Recherchen zu den wahren Identitäten der Piloten des CIA-Jets und der anderen Kommandomitglieder von Journalisten.

(Quelle)



Ich muss also meine Medienschelte teilweise zurücknehmen und auf den generellen Vorwurf der Langsamkeit der Printmedienmaschinerie beschränken. Offenbar waren dafür einfach keine Kapazitäten frei.

Im Original heißt es übrigens:

The DCM
emphasized ... that issuance of
international arrest warrants would have a negative impact on
our bilateral relationship. He reminded Nikel
[stellvertretender Abteilungsleiter für Außen- und Sicherheitspolitik
im Kanzleramt] of the
repercussions to U.S.-Italian bilateral relations in the wake
of a similar move by Italian authorities last year.

¶2. (S/NF) The DCM pointed out that our intention was not to
threaten Germany, but rather to urge that the German
Government weigh carefully at every step of the way the
implications for relations with the U.S. We of course
recognized the independence of the German judiciary, but
noted that a decision to issue international arrest warrants
or extradition requests would require the concurrence of the
German Federal Government, specifically the MFA and the
Ministry of Justice (MOJ). ...

¶3. (S/NF) Nikel also underscored the independence of the
German judiciary, but confirmed that the MFA and MOJ would
have a procedural role to play. He said the case was subject
to political, as well as judicial, scrutiny. From a judicial
standpoint, the facts are clear, and the Munich prosecutor
has acted correctly. Politically speaking, said Nikel,
Germany would have to examine the implications for relations
with the U.S. At the same time, he noted our political
differences about how the global war on terrorism should be
waged, for example on the appropriateness of the Guantanamo
facility and the alleged use of renditions.


Die entsprechenden Ersuchen wurden übrigens bis heute nicht offiziell weitergeleitet, da sie auch unter Obama offensichtlich erfolglos wären.

Update: Henning Müller im Beck-Blog fragt, ob uns der Spiegel mit dieser Geschichte "belügt". Offenbar scheint ihm der Spiegel nicht klar genug darzustellen, dass Deutschland "nur" auf die Auslieferungsanträge verzichtet, wohl aber Haftbefehle erlassen hat.

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